Gendermedizin in Innsbruck:
„Bei uns geht das nicht...“ gibt’s nicht

Interview
10.04.2014
An der Medizinischen Universität Innsbruck hat das Fach Gendermedizin seit kurzem einen eigene Professur. Inne hat sie Professorin Dr. Margarethe Hochleitner. Die Kardiologin leitet auch das Frauengesundheitszentrum der Uni. Wir sprachen mit ihr.

In Sachen Gendermedizin hat die Uni Innsbruck dank Ihres Engagements schon lange die Nase vorn... Bereits 2007 wurde Gendermedizin Pflichtfach. Mit welchem Erfolg?

Prof. Hochleitner: Wir haben schon etwas in Bewegung gebracht! Es ist mir vor allem wichtig, die Gendermedizin als eine Querschnittsmaterie zu behandeln, als eine Betrachtungsweise, die in alle Fächer gehört. Das war natürlich anfangs nicht einfach. Wir bekamen dann oft noch zu hören – „bei uns geht das nicht“. Hier hat sich inzwischen schon viel getan.

Was zum Beispiel?

Prof. Hochleitner: Es ist schon auffällig, dass bei zunehmend mehr Projektanträgen Genderaspekte und entsprechende Zielstellungen benannt werden. Es gibt immer mehr Diplom- und Dissertationen, die solche Themen beinhalten. Allein 2013 hatten wir an der Medizinischen Universität Innsbruck 133 Diplomarbeiten und acht PhD-Arbeiten zur Gendermedizin.
Viele Kolleginnen und Kollegen haben gemerkt, dass das auch für ihr Fach einen Mehrwert bringt. Und es macht eine bessere Medizin aus, in der Endkonsequenz. Im Übrigen geht es ja auch gar nicht darum, immer nur Unterschiede – in der Diagnostik, in der Therapie – zwischen Frauen und Männern festzustellen. Auch wenn sich herausstellt, dass es auf manchen Gebieten eben keine Unterschiede gibt, ist das wichtig. Die Herangehensweise ist entscheidend.

Sie haben von Anfang an versucht, diese Herangehensweise nicht nur in der ärztlichen Ausbildung zu etablieren...

Prof. Hochleitner: Da gibt es ja so viele Ansatzpunkte: Gendermedizin gehört natürlich in die Curricula von Human-, Zahn- und Molekularer Medizin der Universität, aber auch in die Pflegeausbildung, und dort ebenso als Pflichtfach. Das habe ich im Kontakt mit der entsprechenden Fachhochschule hier in Innsbruck erreichen können.

Sie sind Leiterin des Frauengesundheitszentrum der Uni. Sind Sie nicht Ihrem ursprünglichen Engagement für die Frauenmedizin untreu geworden, wenn es nun bei der Gendermedizin auch um Männer geht?

Prof. Hochleitner: Das sehe ich nicht so. Gendermedizin hat sich aus der Frauen- und in geringem Maße auch aus der Männermedizin entwickelt. Es waren die Impulse aus der Frauengesundheitsbewegung, die das differenzierte Herangehen in der Medizin eingefordert haben. Diese Geschlechtsspezifik bringt – ideologiefrei – eine bessere Medizin für Frauen und Männer, eine sehr gute Entwicklung also.

Im März wurde an der Innsbrucker Uni auch ein weiterer Ringvorlesungszyklus zur Gendermedizin eröffnet, diesmal mit Schwerpunkt Onkologie. Das sind offene Veranstaltungen, die von hochkarätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gestaltet werden...

Prof. Hochleitner: ... und ich sehe mit Freuden, wie sich meine Kolleginnen und Kollegen zunehmend dieser Thematik annehmen. Dass dabei immer neue Fachgebiete diskutiert werden, ist besonders spannend. Die Kardiologie war ja bekanntermaßen in Sachen Gendermedizin Vorreiter, das ist ja in Deutschland mit meiner Kollegin Prof. Vera Regitz-Zagrosek nicht anders. In der Onkologie, wie natürlich in weiteren Fachgebieten, gibt es noch Nachholebedarf. Aber solche Ringvorlesungen regen an, genauer hinzuschauen, neue Untersuchungsfelder zu finden. Wir werden während der Vorlesungsreihe viele neue und interessante Dinge hören. Davon bin ich überzeugt. Und die Suche geht weiter...

Mit Prof. Dr. Margarethe Hochleitner sprach
Annegret Hofmann


Flyer Ringvorlesungen
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